Reifenumrüstung für den 5T-Sprinter 4×4

Reifenumrüstung für den 5T-Sprinter 4×4

30. September 2016 122 Von Mikesch

Update 08/2019:
Reifenumrüstungen sind bei der Firma ORC in Holzgerlingen bis auf Weiteres oder dauernd aus TÜV-rechtlichen Gründen nicht mehr möglich!
ORC Holzgerlingen bemüht sich um eine Lösung des Problem, sollte eine gefunden werden, werde ich dies hier bekannt geben.

Reifenumbau Sprinter

Originalbereifung

War das ein Drama, Problem gelöst, Aktualisierung Oktober 2016.
Der Bericht ist neu verfasst und beschränkt sich nunmehr lediglich auf die Lösung und zwar für den 906.
Ob der Umbau auch für den neuen 907 möglich ist, entzieht sich meiner Kenntnis.
Alternativ gibt es hierzu die Lösung mit dem Iglhaut  Allrad und dem SuperSingle für um 40.000 Euronen 😉

Eigentlich ging es uns für unseren USA-Trip lediglich um die Umrüstung des Sprinters auf 215/85/16, da die serienmäßigen 205/75/16 in den USA nicht zu bekommen sind. Ursache ist, dass der Sprinter in den USA mit den 215 Cargo-Reifen läuft. Hintergrund ist einfach, dass wir Reifenschäden eingeplant haben, da die Reifen im leichten Gelände einer höheren Belastung ausgesetzt sind.

Das Problem wurde nun nach über 6 Monaten Gedoktere bei den unterschiedlichsten Mercedes LKW Stationen gelöst.

Realisiert hat das nun die Firma ORC (OffRoadCenter) GmbH in Holzgerlingen. War nicht ganz billig, die Kosten für die Umrüstung mit Felgen, Flansche, Reifen mit Ventilverlängerung, TÜV-Gutachten und Anpassung für das Steuergerät bei Mercedes sowie die Halterung des Reserverades lagen bei um 3.300,- Euro.
Wer einen Umbau plant, sollte den Geschäftsführer von ORC, den Herrn Altschäffl kontaktieren, da er mit der Materie und Problemstellung vertraut ist.
Hier ebenso einen Dank an das ganze Team! Das ganze ORC-Team ist freundlich, hilfsbereit und lösungsorientiert! Alleine die Frickelei mit der Reserveradaufnahme, die Alträder wurden nach Hause geschickt…

Gutachten

Gutachten

Technische Hintergründe und warum sich der Umbau auch lohnt, auch wenn man nicht gerade in die USA möchte

In den USA läuft der Sprinter mit 215/85/16er Reifen auf der sog. 6J NAFTA-Felge mit anderer Einpresstiefe und Cargo-Bereifung.
Im Netz zu lesende Lösungen mit jener NAFTA-Felge kann man getrost vergessen, da Mercedes diese Felge in Europa nicht mehr ausliefert.

Sprinter Reifenumrüstung

Flansch

Mercedes bietet aber trotzdem ein Lösung an, ein dickerer Flansch mit anderem Locjkreis und eine verstärkte 5,5J Felge mit anderer Einpresstiefe sind regulär über jede Mercedes-Vertretung zu beziehen.
Die Felgen sind auf einen Flansch montiert. Da der 215er Reifen breiter ist und wegen der anderen Einpresstiefe, ist dieser Flansch vorne ca. 1,5 cm dicker, dazu kommt, dass die neue Felge einen anderen Lochkreisdurchmesser hat. Damit wird gewährleistet, dass der Abstand zwischen den Zwillingen ausreichend groß ist. Dieser Flansch muss auch an den Vorderrädern montiert werden, damit die größere Spurbreite zu den Hinterrädern wieder stimmt und das ESP fehlerfrei arbeiten kann.

Sprinter Reifenumrüstung

Anpassung Steuergerät

Nur so nimmt der TÜV in Holzgerlingen den Umbau ab was auch durchaus Sinn macht. Im Netz zu lesende Umbauten unter Degradierung des ESP machen auch für mich keinen Sinn. Keine Ahnung wie die durch den TÜV gingen.

Die Daten zur Umstellung sind bereits auf Grund des USA-Marktes im Steuergerät hinterlegt. In einer Mercedes-Werkstatt wird durch Code-Umstellung eine Tachoangleichung und Anpassung des Motormanagements vorgenommen.

Eigentlich könnte nun alles in Butter sein, wäre da nicht das Abgas…

Was hat das Abgas mit den Reifen zu tun? Ganz einfach, die Drehzahlen ändern sich, die größeren Räder (ca. 6cm im Durchmesser) haben eine andere “Hebelwirkung”, die Gänge verlängern sich.

Aber es ist doch bereits alles im Steuergerät für den US-Markt hinterlegt?

groessenunterschied

Größenunterschied Foto: D. Deter

Richtig, aber Mercedes hat keine Abgastests für den Europäischen Markt mit den 215/85er Reifen durchführen lassen, warum auch, es werden ja nur die 205/75er montiert.
So muss bei einer Umrüstung grundsätzlich eine Abgasuntersuchung mit Einzelabnahme durchgeführt werden und die kostet um die 2.000,- Euro.

Die kann man umgehen, wenn sich der Abrollumfang um nicht mehr als 8% erhöht. Rechnet man den mal in unserem Fall aus, ist erklärt, warum man den Umbau ohne Abgasgutachten in DE grundsätzlich nicht durch den TÜV bekommt 😉
Der Firma ORC liegt ein Schreiben vor, wo ihrem Reifen ein größerer Abrollumfang von 7,8% bescheinigt wird, welches vom TÜV in Großherlingen anerkannt wird.

Der Reifen Cooper AT3 Discover

AT3 Profil

AT3 Profil Foto: D. Deter

Den von ORC verbauten hatte ich schon vorher nach lesen etlicher Tests, auch von Privatpersonen auf amerikanischen Seiten im Visier.
Das Profil ist nicht so aggressiv wie von einem Bridgestone Goodrich und ähnelt eher dem Vanco4Season mit seinen Fahreigenschaften auf der Straße. Der oft verwendete Goodrich ist mehr für das Gelände und Pampe geeignet, aber mit Nachteilen auf der Straße.  Bei Nässe ist der Goodrich IMHO mit Vorsicht zu genießen, ich erinnere mich an mein Sprinter-Training, wo der Hymer die Übungen nicht geschafft hat. Die Überlegungen sind eh egal, da es den BF Goodrich nicht für den 5T-Sprinter gibt (Stand 03/2018).
Der Cooper Discoverer ist ein wirklicher AllTerrain-Reifen, auf trockener und nasser Straße ebenso wie im leichten Gelände. Bei Matsche soll der auch fast dem Goodrich das Wasser reichen können. Auf Sand sogar besser, da ein grobstolliges Profil hier eher nachteilig ist. Klar, er kann in keiner Disziplin etwas wirklich gut und zeigt seine Stärken im (leichten) Gelände. Ein Kompromiss-Reifen für Leute, die sich öfter in solchem befinden und auch einen stabileren Reifen benötigen.
Nachtrag 03/2018: Der Cooper hat nun in den USA ca. 3.000 km teils übelste Pisten mit Steinen ohne Platten überstanden.

Meine ersten Erfahrungen nach gut 1.000 Kilometern:
Das Fahrverhalten erinnert an den Vanco4Season, eigentlich kein Unterschied, erst recht auf trockener Fahrbahn. Der
Cooper fährt sich genau so komfortabel, wenn nicht sogar einen Tick komfortabler als der Vanco. Auch auf nasser Straße habe ich nichts Negatives bemerken können, auch kein Aufschwimmen bei tiefen Pfützen. Wobei, ich fahre auch recht defensiv und kam noch nicht in Bereich, wo ich mal heftig in die Eisen gehen musste. Der Cooper ist durch “Singen” ab 80 km/h etwas lauter, aber nicht störend.
Der Cooper AT3 Discover ist ein Ganzjahresreifen mit MS-Kennzeichnung.  Im Schnee und auch bei Matsche hatte ich beste Erfahrungen.

Durch den erhöhten Abrollumfang müssen die Gänge im Gebirge mehr gezogen werden.
Die Drehzahl vermindert sich um ca. 150 UPM bei gleicher Geschwindigkeit zu vorher und die Gänge werden länger. In Bezug auf die Beschleunigung habe ich zumindest bei dem V6 keinen Unterschied feststellen können.
Die Spannbreite beim Spritverbrauch erhöht sich dadurch. Im Gebirge fängt die Kiste durch das Hochziehen der Gänge das Schlucken an, auf gerader Strecke wird der Sprinter richtig sparsam. Ich habe gerade Rekorde gebrochen, im Gebirge knapp 18 L/100km, auf gerader Strecke knapp 12 L/100km voll beladen und 1.000 kg Anhänger bei 95 echten Km/h.

Warum ist eine Umrüstung auch ohne geplanten USA-Aufenthalt zu empfehlen

  • Klar, die Optik, die Räder sehen nicht mehr so verloren aus und haben eine dem Fahrzeug entsprechende Dimension.
  • Gewinn an Bodenfreiheit um ca. 3cm, die müssen allerdings bei der Höhe einkalkuliert werden.
  • Der Cooper AT3 Discover hat eine höhere Traglast und und ist gegenüber eines Vanco deutlich robuster, gerade im Bereich der Flanken. Dazu kommt eine bessere Traktion auf pampigen Wegen
  • Der Abstand zwischen den Zwillingen ist deutlich größer, die oft vorhanden Steine auf Feldwege können sich nicht mehr so leicht festsetzen.
    Sicher kann es auch hier passieren, aber die Steine der entsprechenden Größe sind nun leichter erkennbar und können umfahren werden.
  • Der Vanco4Season gab in der Flanke recht deutlich nach, der stabilere Cooper ist da steifer. Das unangenehme Schwanken des Sprinters wird dadurch leicht vermindert. Im leichten Gelände schaukelt der Sprinter etwas weniger, ebenfalls wenn man sich im Fahrzeug bewegt.

Aktualisierung Mai 2018:

Der Cooper ist für Europa nicht gelabelt und darf deshalb in Europa nicht mehr verkauft werden. Statt dessen habe ich den Nokian Rotiiva AT montiert. Im Fahrverhalten und auch im Profil ähnelt er dem Cooper, er soll noch stabiler sein, hat auch eine höhere Traglast und hat die seit 01.01.2018 geforderte Kennzeichnung als Winterreifen mit Schneeflocke in dem Berg. Ein erster Bericht findet ihr unter Erfahrungen Nokian Rotiiva AT

Fazit

Wer nur auf Asphalt oder in Europa unterwegs ist, für den wird sich ein Umbau kaum lohnen.
Wer aber mal den Asphalt verlassen möchte, dafür ist der 4×4 ja eigentlich da, für den lohnt sich der Umbau ob der Vorteile insgesamt allemal und ist eigentlich ein Muss. Mir ist es eigentlich ein Rätsel, warum Mercedes diese Reifendimension nicht auch in Europa für die 5T-Sprinter vertreibt und hier Unterschiede zum amerikanischen Markt macht.

Wer einen Umbau plant, sollte das auch zeitnah machen, wer weiß, ob der zukünftig noch so möglich sein wird. Die Abgasvorschriften werden immer restriktiver, selbst ORC äußert da Bedenken.

Sprinter Reifenumrüstung

Vorderrad

 

Sprinter Reifenumrüstung

Zwillinge